Was ist und was kann Yoga?
Heutzutage verbinden die meisten Menschen mit Yoga vor allem den Wunsch, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Aber auch die Koordination und die Beweglichkeit des Körpers kann man durch Yogaübungen verbessern und damit schmerzhaften Beschwerden des Bewegungsapparates vorbeugen. Und dann tauchen immer wieder die Werbespots auf, wo versprochen wird, durch Yoga leicht zu werden, also Gewicht zu verlieren. Aber was ist dran an all diesen Versprechen?
Zunächst mal versteht jeder unter Yoga etwas anderes. Viele Aktivitäten werden unter dem Label Yoga vermarktet und haben wenig damit zu tun. „Bier Yoga“ ist so eine Sache, wo ich nie sicher bin, ob das denn ernst gemeint ist.
Also, erst mal „Back to the roots“.
Yoga ist eine alte philosophische Lehre und Heilkunst, die eigentlich 7 Stufen umfasst. Hatha Yoga oder das populäre Yoga (wenn ich es mal so nennen darf) konzentriert sich aber „nur“ auf Körperhaltungen (Asanas), Atemübungen und eventuell noch Meditation. Also nur einige Schritte zur totalen Erleuchtung.
Die Wurzeln des Yoga liegen in Indien und reichen mehrere tausend Jahre zurück. Nach klassischem Verständnis stellt Yoga einen spirituellen Weg dar, um sich einem geistigen oder religiösen Ziel zu nähern. Yoga betrachtet Körper und Geist ganzheitlich, der Begriff bedeutet übersetzt so viel wie „zusammenbringen“ oder „zusammenbinden“.
Was kann ich mit Yoga erreichen?
Grundidee beim Yoga ist, dass man an sich arbeiten muss, um sich einem Ziel anzunähern. Auf dem Weg zum Ziel, der Erleuchtung, gibt es die erwähnten 7 Stufen, an denen sich der Mensch orientieren kann, zum Beispiel Selbstdisziplin, Konzentration und Meditation. Es ist kein Zufall, dass es auch 7 Chakren gibt, Energiepunkte im Körper.
- Yama: Verhalten
- Niyama: Selbstdisziplin
- Asana: Körperhaltung
- Pranayama: Atemführung
- Pratyahara: Sinnesbeherrschung
- Dharana: Konzentration
- Dhyana: Meditation
- Samadhi: Erleuchtung
Viele Volkshochschulen, Yogazentren, Sportvereine und andere Einrichtungen bieten Yoga für alle Stufen an: Anfänger, Fortgeschrittene, zur Entspannung, zum Fit werden und mehr. Auch Yoga für Schwangere oder Kinder ist häufig Teil des Yoga-Angebots. Nicht zu vergessen Lachyoga oder Hundeyoga ….Yoga ist also alles für Jeden, jeder kann es sich nach den eigenen Bedürfnissen und Zielen zusammenstellen..
Mein erster eigener Ansatz war Business Yoga. Für mich waren Business und Yoga immer 2 verschiedenen Welten. Immer, wenn ich von Yoga Lehrgängen an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt bin, kam mir mein Job noch kälter und unmenschlicher vor. Ich war keineswegs die erste Person, die auf die Idee kam, Business und Yoga zu verbinden. Aber ich habe es so angepasst, dass es für mich in meinem damaligen Umfeld zu 100 % gepasst hat.
Gibt es denn Risiken und Nebenwirkungen?
Wenn man sich erfahrene Yogis in ziemlich abgedrehten Stellungen ansieht, kann man auf die Idee kommen, das nachzumachen. Schlechte Idee. Man sollte immer die eigene Kondition, Beweglichkeit, aber auch den Körperbau berücksichtigen. Bei jedem Menschen gibt es Unterschiede im Knochenbau und eine extreme Rückwärtsbeuge (Brücke, zum Beispiel) ist durch die Stellung der Wirbel nicht bei Jedem möglich. Logisch, dass es bei Überforderung zu Zerrungen kommen kann. Selbst wenn man von Hause aus sehr beweglich ist, sollte man vorsichtig sein: fehlendes Aufwärmen oder übermäßig langes Halten von bestimmten Positionen führen leicht zu Zerrungen oder gar Überdehnungen.
Kritisch wird es bei schon vorhandenen krankhaften Veränderungen. Ein Klassiker: Bandscheibenvorfall. Bei Rückenschmerzen wird oft der Drehsitz empfohlen, der auch sehr wirksam bei Muskelverspannungen im unteren Rückenbereich ist. Besteht aber ein Bandscheibenvorfall, kann der Drehsitz diesen noch verschlimmern. Diese Erfahrung musste ich machen und nach einer Einzelstunde war ich reif für den OP.
Noch kritischer wird es bei Nervenquetschungen: hier sind mir 2 Fälle bekannt, wo Yogaschüler über einen längeren Zeitraum (mehr als 1 Stunde) in Stellungen verbracht haben, wo Nerven gequetscht wurden, bzw. nicht ausreichend mit Blut versorgt wurden. In einem Fall kniete die Person zur Meditation, im anderen Fall ist eine Frau bei der sitzenden Vorwärtsbeuge eingeschlafen. Beide mussten längere Zeit ärztlich behandelt werden.
Gefährlich sind Stellungen wie Pflug, Schulterstand (oder Kerze), Rad oder Kobra. Bei all diesen Stellungen wird die Halswirbelsäule stark gebeugt oder überstreckt. Was je nach Alter und körperlicher Verfassung recht gefährlich werden kann.
Wer muss denn vorsichtig sein?
Da viele gesundheitsbewusste Yogis in den mittleren Jahren oder älter sind, kann es bereits zu Ablagerungen in Blutgefäßen gekommen sein. Die Betroffenen wissen das oft gar nicht. Sie fühlen sich fit und haben keine Beschwerden. Oder die Blutgefäße haben insgesamt an Elastizität verloren, was vollkommen normal ist, Kommt es nun zu Stellungen, wo der Kopf stark Richtung Brust gebeugt ist, oder in den Nacken überstreckt wird, können sich Ablagerungen lösen und einen Schlaganfall verursachen. Im Extremfall können Blutgefäße sogar reißen.
Auch dies habe ich in der Yogaschule, wo ich meine Ausbildung machte, erlebt. Später habe ich erfahren, dass dies kein Einzelfall ist. Und es trifft auch jüngere, sehr trainierte Menschen. Das macht die Diagnose oft schwierig, weil man bei dieser Altersgruppe nicht gleich an einen Schlaganfall denkt.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Kopfstand: abgesehen von der Erhöhung des Druckes auf die Blutgefäße im Kopfbereich ist der Kopfstand auch eine Übungssache. Normalerweise stützt man sich mit den Unterarmen ab und hat dadurch eine gewisse Stabilität. Wenn man durch irgendwas aus der Balance gebracht wird oder die Kraft in den Armen versagt, kann es im schlimmsten Falle zum Genickbruch kommen. Das habe ich zum Glück in meinem Umfeld noch nie erlebt, aber es sind Fälle bekannt.
Kann ich mit Yoga abnehmen?
Abgesehen von diesen „Hardcore“ Verletzungen gibt es noch einen Wermutstropfen: Claims oder Heilversprechen, die so nicht haltbar und nicht wahr sind.
So wird Yoga oft als Mittel zur Gewichtsreduktion angepriesen. Da stellt sich mir die Frage: was genau versteht man in diesen Fällen unter Yoga?
Klar, wenn man eine Stunde Power Yoga mit vielen Sonnengrüßen (die gesprungene Variante) macht, ist das ein gutes Herz-Kreislauf-Training. Aber genauso wenig wie Sport als alleiniges Mittel zum Gewichtsverlust geeignet ist, bringen Asanas die Pfunde zum Schmelzen.
Und was ist mit Meditation? Vorsicht, bei der Meditation verlangsamt sich die Atmung, man entspannt sich. Das ist gut, baut langfristig Stress ab und hilf so, stressbedingte Heißhungerattacken zu vermeiden. Stresshormone (Adrenalin und Kortisol) werden gedrosselt und damit das typische Stressfett im Bauchbereich verhindert.
Aber kurzfristig wird der Stoffwechsel gedrosselt. Erfahrene und trainierte Yogis können ihre Atmung dermaßen reduzieren (ohne nach Luft japsen zu müssen), dass der Grundumsatz sich um durchschnittlich 13 % vermindert. Und auch hier sind Frauen benachteiligt: bei Männer war die Reduktion 8 %, bei Frauen 18 %. Das ist eigentlich das Letzte, was figurbewusste Frauen anstreben….
Ist Yoga etwas für mich?
Fazit: Yoga ist vielseitig, und kann für wirklich jeden Menschen angepasst werden. Durch meine eigene Ausbildung kenne ich viele Vorzüge und möchte meine eigene Yoga Praxis niemals missen. Aber wie in allen Bereichen sollte man auch hier mit gesundem Menschenverstand und realistischen Erwartungen an die Sache herangehen. Ganz wichtig:
- die Übungen auf seine eigenen Bedürfnisse anpassen
- langsam beginnen,
- auf den eigenen Körper hören und
- seine Grenzen kennen.
Ja, es kann cool sein, wenn man auf einer Party abgedrehte Asanas vorführen kann, aber aus dem Alter sind wir doch eigentlich raus. Oder?
Wenn Du mit Yoga beginnen möchtest und in den letzten Jahren (oder Jahrzehnten) nicht aktiv warst, lasse Dich erst mal vom Arzt durchchecken. Oder vereinbare einen Termin mit mir, ich helfe gerne mit Empfehlungen weiter oder weise Dich in die Grundzüge des Yoga ein.
Und was ist jetzt mit Yoga und der Porno-Industrie?
Das war ein Kapitel, das ich nirgendwo erwähnen durfte….bei Facebook hatte es mir eine Sperre eingebracht.
Dabei ist es schon seit Ewigkeiten ein „offenes Geheimnis“, dass Yoga Übungen den Sex verbessern können. Man spricht halt in Yoga-Schulen wenig darüber, aber William J. Broad hat in seinem fantastischen Buch „The science of yoga“ ein ganzes Kapitel dem göttlichen Sex (divine sex, ab Seite 163) gewidmet.
Und aus diesem Buch habe ich auch gelernt, dass
- die Pornoproduktionen und Yoga-Schulen in Los Angeles in unmittelbarer Nachbarschaft liegen und
- Bikram Yoga, auch als Hot Yoga bezeichnet, (ein Yoga-Stil, der in einem beheizten Raum bei 35 bis 40 Grad Celsius unterrichtet wird) nur deshalb erfunden wurde, damit Bikram Choudhury sich an leicht bekleideten Damen erfreuen konnte. Es sollte niemanden überraschen, dass er Ärger wegen sexueller Übergriffe hatte.

Liebe Heike,
wieder einmal ein absolut lesenswerter Blogartikel, der mir aus dem Therapeutenherzen spricht. Ich hoffe sehr, dass ihn viele Menschen lesen.
Alles Liebe
Annette