Wünschst Du Dir nicht auch manchmal, dass Du nur das essen magst, was gut für Dich ist? Keine Fressattacken, keine Schokoladen-Orgie und keine Kuchenschlachten mehr.
Intuitives Essen oder zurück zu einem natürlichen Essverhalten ist ja eigentlich eine großartige Sache. Man isst, wenn man Hunger hat und wenn der Körper Energie braucht und hört auf, wenn er genug hat. Und außerdem sollte unser Körper uns bitte schön sagen, was genau er braucht.
Aber funktioniert das? Hören wir überhaupt, was der Körper uns sagt?
Als ich eingeladen wurde, bei einer Blogparade zum Thema „Das Glück der Achtsamkeit“ teilzunehmen, hatte ich sofort wieder diese Fragen im Kopf. Und gleichzeitig den Gedanken:
Achtsamkeit kommt nicht von allein. Achtsamkeit muss man erst lernen.
Wie genau Du das für Dein Essverhalten lernen kannst, möchte ich in diesem Beitrag näherbringen.
Kann ich auf mein Bauchgefühl hören?
Intuition ist eine natürliche Reaktion oder Entscheidung, die wir treffen, ohne den Verstand einschalten zu müssen. Diese Entscheidung sollte natürlich richtig und gut für uns sein.
Um es mal vorwegzunehmen: intuitives Essen heißt nicht, Eiscreme zum Frühstück, Schokolade zum Mittagessen und abends ein Big Mac Menu. Selbst wenn Dein Körper oder Dein Bauch Dir das sagt, das sind mit Sicherheit keine Nahrungsmittel, die Dir guttun. Hin und wieder ist das ja absolut in Ordnung, aber auf Dauer, schadet es Dir. Dein Körper braucht keine Chemie, keine Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel und keinen Zucker im Übermaß.
Und da liegt das Problem: der Großteil unserer Nahrungsmittel sind so stark bearbeitet, verarbeitet und modifiziert, dass unser Körper gar nichts damit anfangen kann. Es fehlen Vitamine und Mineralstoffe, Ballaststoffe, ja, eigentlich alles, was unser Körper zum Funktionieren braucht.
Wenn wir unnatürliche Nahrung zu uns nehmen, kann unser Körper nicht natürlich reagieren. Daher tritt auch keine Sättigung ein. Warum auch, die Hersteller dieser Produkte wollen ja, dass Verbraucher diese kaufen und essen. Viel davon essen.
Aber es geht natürlich auch anders
IN EINER PERFEKTEN WELT
In einer perfekten Welt würdest Du essen, wenn Du wirklich hungrig bist, aufhören, wenn Du echt satt bist. Du hättest nur Hunger auf solche Nahrungsmittel, die genau richtig für Dich sind. Wenn Du trainierst oder körperlich arbeitest, hättest Du Hunger auf Dinge, die Dir mehr Energie geben, wenn Du überwiegend sitzend arbeitest, entsprechend leichtere Kost.
Das ist durchaus möglich, aber man muss dran arbeiten, die Zusammenhänge verstehen und auch etwas Disziplin haben.
DISZIPLIN UND INTUITION – PASST DAS ZUSAMMEN?
Ja, das Problem heutzutage ist ja, dass wir fast jederzeit die Möglichkeit haben, uns Essen zu kaufen. Egal, worauf wir Hunger oder Appetit haben, die nächste 24-Stunden Tankstelle ist gut sortiert. Bis auf frisches Obst und Gemüse, das fehlt hier meistens.
Stattdessen gibt es viele Convenience Produkte, die lange haltbar sind. Und die uns zum Vielessen verführen. Wer bitte leert nicht die ganze Tüte Chips? Eben….
Dazu kommt, dass wir auch dann zu Essen greifen, wenn wir frustriert, gelangweilt, müde oder traurig sind. Essen als Seelentröster – und da ist die Kombination Zucker und Fett ganz besonders verführerisch. Dazu braucht man nicht mal wirklich hungrig zu sein.
Die Lebensmittelindustrie verwendet diese Fakten zu ihrem Vorteil, sprich: mehr zu verkaufen, zu niedrigeren Kosten. Eben weil viele natürliche Rohstoffe ganz ersetzt werden oder so stark verarbeitet werden, dass sie eine „hohe Nährwertdichte“ haben. In klarem Deutsch: diese Produkte sind sehr kalorienreich, aber auch sehr lecker. Daher werden sie oft sehr schnell verschlungen, so dass der Körper gar keine Zeit hat, zu signalisieren: jetzt ist es genug.
Aber es geht noch weiter: stark verarbeitete Lebensmittel enthalten in der Regel eine höhere Konzentration an Nährstoffen, die das Belohnungssystem im Gehirn stimulieren, eben insbesondere Fette und einfache Kohlenhydrate. Dies kann dazu führen, dass wir immer mehr von diesen Lebensmittel essen, bis hin zu einem suchtartigen Essverhalten.
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass kalorienreiche, stark verarbeitete Nahrungsmittel am ehesten ein suchtartiges Essverhalten auslösen, während einfache, unverarbeitete naturbelassene Lebensmittel das nicht tun. In Falle eines suchtähnlichen Verhaltens „sagt“ uns zwar auch unser Körper, was er will. Aber das hat mit Achtsamkeit wenig zu tun. Sondern tatsächlich eher mit Sucht.
MUSS MAN INTUITIVES ESSEN LERNEN?
Das hört sich vielleicht erst mal absurd an, aber die Antwort ist: ja. Wir müssen lernen, die Signale unseres Körpers zu verstehen. Wir müssen uns die Zeit nehmen, um achtsam auf den Körper zu hören.
- Haben wir wirklich echten körperlichen Hunger oder nur Appetit?
- Wollen wir essen, weil es gerade Essenszeit ist?
Oft passen wir unsere Essenszeiten an unseren Tagesplan an: Essen, wenn Zeit dazu ist, unabhängig davon, wann wir die letzte Mahlzeit hatten. Oder den ganzen Tag gar nichts essen, weil wir die Zeit dazu nicht finden. Dann wird spät am Tag alles nachgeholt. Und noch ein bisschen mehr. Man kann sich in kurzer Zeit erstaunlich viele Kalorien reinziehen…Wenn das immer wieder passiert, gewöhnt sich unser Körper daran.
Das kann übrigens auch dann passieren, wenn ich Intervallfasten (IF) betreibe. IF hat zwar viele gesundheitlichen Vorteile, ist aber nicht unbedingt für jeden geeignet. Wenn ich nur deswegen das Frühstück ausfallen lasse, um später mehr essen zu können, so kann das nach hinten los gehen. Eben wenn es dann zu einer Fressattacke kommt oder wenn wir nicht mehr steuern können, was oder wie viel wir essen.
Wenn wir das Frühstück aus Zeitmangel ausfallen lassen, obwohl wir eigentlich morgens eine Mahlzeit brauchen, dann kann es passieren, dass wir keine Energie haben, wenn sie dringend gebraucht wird. Würden wir achtsam essen, würden wir das ändern.
Aber Achtsamkeit bedeutet auch, sich die Zeit zu nehmen, um auf den Körper zu hören. Zeit, die wir nicht haben. Glauben wir jedenfalls.
Kinder sind da oft noch besser dran: wie oft passiert es, dass die Kleinen essen sollen und einfach noch keinen Hunger haben. Und dann eine halbe Stunde später ankommen und ausgehungert sind. Da funktioniert die Intuition noch. Wenn man den Nachwuchs nicht mit Fastfood groß zieht….
DAS SOZIALE UMFELD
Essen ist viel mehr als simple Nahrungsaufnahme.
Warum wohl drehen sich so viele unserer Traditionen und Bräuche um die gemeinsame Mahlzeit mit unseren Lieben?
Abgesehen von der Tatsache, dass wir auf die Kalorienzufuhr angewiesen sind, um Energie zu erhalten, kann das Brechen des Brotes oder das Teilen einer bestimmten Mahlzeit auch ein starker Katalysator für die Bindung zu anderen Menschen sein. Wenn wir an unsere wichtigen Feste wie Weihnachten, Ostern oder einfach Geburtstage denken, denken wir doch automatisch an bestimmte Mahlzeiten. An Gerichte, die oft eine lange Familientradition haben.
Aber auch bei weniger wichtigen Ereignissen greift man zu Erdnüssen, Popcorn oder was auch immer, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es ist fast schon ein Ritual, in einem bestimmten Kontext. Kino und Popcorn, Fußballspiel und Bratwurst mit Pommes, Kaffeekränzchen mit Kaffee und Kuchen – es gibt viele solcher Beispiele.
Wie kann man diese Beobachtungen mit intuitivem und achtsamen Essen in Einklang bringen?
Ist es nicht ein Widerspruch, aus Tradition zu einer bestimmten Zeit zu essen, wenn der Körper es vielleicht gar nicht braucht? Nicht unbedingt! Gerade wenn es eine besondere, liebevoll zubereitete Mahlzeiten gibt, sollte ich mir unbedingt die Zeit nehmen, um langsam und genussvoll zu essen. Die Zutaten herausschmecken, die Textur herausfinden und einfach genießen. Achtsamkeit und Genuss schließen sich also keinesfalls aus.
So kannst Du Achtsamkeit beim Essen lernen
#1 FRAGE DICH, OB DU WIRKLICH HUNGER HAST
Das wird am Anfang schwierig sein und nicht immer funktionieren. Aber man lernt, die Signale besser verstehen, wenn man sich Achtsamkeit zum Ziel setzt.
- Wann hattest Du zuletzt etwas zu essen?
- Hat sich der Hunger langsam aufgebaut?
Wenn die Antwort Ja ist, solltest Du essen.
Ist die Antwort Nein, dann lenke Dich ab.
- Trinke ein Glas Wasser. Manchmal werden auch Hunger und Durst verwechselt, gerade, wenn man eher wenig trinkt.
- Räume auf oder nimm eine Aufgabe in Angriff, die nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, die sowieso gemacht werden muss und die Du halbwegs gerne machst.
An dieser Stelle habe ich für mich eine zusätzliche Strategie, die eigentlich dem Konzept der Achtsamkeit widerspricht: die Analyse.
- Wie hoch ist mein Kalorienbedarf überhaupt?
- Wieviel davon habe ich heute schon gegessen?
- Ist meine Ernährung ausgewogen?
- Bekomme ich alle Mikro- und Makronährstoffe im richtigen Verhältnis?
Wenn ich Mangelerscheinungen habe, sendet der Körper Signale. Die muss ich aber dann auch verstehen. Wenn ich eigentlich genügend Energie (=Kalorien) aufgenommen gabe, aber trotzdem ununterbrochen ans Essen denke, dann gibt es irgendwo ein Problem.
- Die letzte Mahlzeit bestand überwiegend aus einfachen Kohlenhydraten und der Blutzucker ist zu niedrig.
- Ich habe einen verdeckten Vitaminmangel.
- Ich bin frustriert und will dieses Gefühl mit Essen kompensieren..
- Ich leide unter Schlafmangel und das Signal „müde“ wird als „hungrig“ wahrgenommen.
#2 Hör auf zu essen, bevor Du pappsatt bist
Ein Teil des intuitiven Essens ist ja, die Signale zu deuten. Man kann die Signale nur wahrnehmen, wenn man langsam isst und immer wieder kurze Pausen einlegt.
Es dauert 20 Minuten, bis das Gehirn mitbekommt, dass Nahrung im Magen angekommen ist. In 20 Minuten kann man aber eine riesige Mahlzeit verschlungen haben. Und um angenehme Sättigung zu spüren, muss der Bauch nicht so voll sein, dass man den Gürtel ein Loch weiter schnallen muss.
Das erinnert mich an die Geschichte eines amerikanischen Kollegen, den wir zu einem Geschäftsessen in Paris ausführten. Der Amerikaner war recht übergewichtig und machte keinen Hehl daraus, dass er gerne und viel aß. In besagtem Restaurant nun gab es ein 7 Gänge Menü, sehr große Teller und sehr kleine Portionen, aber exquisite Speisen. Unser US-Kollege machte ununterbrochen Witze über die seiner Ansicht nach lächerlich kleinen Portionen. Die ersten Gänge schaufelte er in Lichtgeschwindigkeit in sich rein. Wir rechneten schon damit, dass er anschließend nochmal bei einem Fastfood Restaurant vorbeischauen wollte, die es auch in Paris überall gibt. Aber, oh Wunder, am Ende des Abends sagte er überrascht: ich bin satt! Das Essen hatte sich über mehrere Stunden hingezogen, es gab immer wieder andere Geschmacksrichtungen und überraschende Kombination. Das hat wohl das Gehirn unseres amerikanischen Freundes glauben lassen: viele Geschmäcker, viele Texturen, viel Zeit = viel Nahrung.
#3 VERWENDE NUR HOCHWERTIGE NAHRUNGSMITTEL
Ja, eigentlich ist das die wichtigste Regel: hochwertige Lebensmittel, frisch, aus der Region, in der Saison geerntet. Für Menschen, die sich überwiegend von Fast Food, Convenience Food und Snacks ernähren, wird dies erst mal die größte Hürde sein. Das ist ja ein wesentliches Merkmal: die Beschaffung und das Verspeisen dieser Nahrungsmittel ist „fast“ (schnell) und „convenient“ (bequem). Aber nicht in der Natur des Menschen.
Nur mit natürlichen Lebensmitteln bekommt unser Körper, was er braucht. Und sendet dann auch die richtigen, natürlichen Signale aus: Sättigung.
Optimal ist es dann natürlich, wenn wir selbst kochen: Menschen, die für sich selbst kochen, ernähren sich gesünder. Das stellten Forscher der John Hopkins University in Baltimore in einer Studie fest. Diejenigen Teilnehmer der Studie, die mehrmals pro Woche zu Hause kochten, nahmen weniger Zucker, Fett und Kalorien auf, als Personen, in deren Haushalt nicht regelmäßig selbst gekocht wurde.
#4 Du sollst nicht essen, wenn Du gestresst bist
Wenn ich in einer akuten Stresssituation bin, sorgen die Hormone Adrenalin und Kortisol dafür, dass wir Energie für die Flucht oder den Kampf zur Verfügung haben. Ist die Gefahr vorbei, meldet sich der Hunger: der Körper muss seine Reserven auffüllen. Wenn wir uns aber gar nicht bewegen und keine Entspannung einsetzt (was ja heute oft passiert), ist das Signal unpassend. Es wurde ja keine Energie verbrannt. Noch schlimmer sieht es aus, wenn der Stress Dauerzustand wird. Dann kann es zu Dauerhunger kommen und der Körper registriert gar keine Sättigung mehr. Daher ist es gerade für Frauen in den Wechseljahren extrem wichtig, ganz gezielt für Entspannungspausen zu sorgen. Sich Zeit nehmen, um vor einer Mahlzeit runterzufahren und sich dann auch die Zeit zu nehmen, in Ruhe zu essen.
Nur dann kann man mit Achtsamkeit essen und die wichtigen Signale des Körpers wahrnehmen.
FAZIT
Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden und man wird nicht in 2 Tagen zu einem intuitiven Esser. Aber man kann es in recht einfachen Schritten lernen. Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass das ein Prozess ist, der Zeit braucht. Wenn man erst mal so weit ist, dass man sich auf seine Intuition verlassen kann, kann man auch auf Intervallfasten verzichten. Klar, wenn man aus irgendwelchen Gründen keinen Hunger hat, obwohl man länger nichts gegessen hat, ist das ein Zeichen, dass das Verdauungssystem eine Pause braucht. Und nicht weil es gerade Hype ist, mal zu fasten. Auch verfeinert sich das Körpergefühl: man braucht sich kaum noch zu wiegen und merkt auch kleine Veränderungen.
Wenn Du mehr über eine gesunde Ernährung wissen möchtest, dann schaue Dir doch meinen betreuten Online-Kurs „Gesunde Ernährung – knackig, pragmatisch, alltagstauglich“ an. Der ist speziell auf Frauen in den Wechseljahren abgestimmt und deckt die wichtigen Kapitel „Bewegung“ und „Entspannung“ ab.
Liebe Heike,
Du hast es auf den Punkt gebracht, danke. Intuitiv zu essen kann man lernen, dazu ist achtsam sein eine Voraussetzung, die man ebenfalls lernen kann.
Alles Liebe
Annette
Ein wirklich interessanter Artikel, den ich mir zu Hause in Ruhe durchlesen werde. Bin gerade auf Reha. Ich denke, ich muss dringend etwas tun, da ich zwar frisch koche, achte auf die Zutaten, aber ich esse zu schnell und zu viel Schokolade abends. Ein Teufelskreislauf. Auch zu wenig Bewegung durch meine Erkrankung.
Viele Grüße
Caro
Ja, das mit dem zu schnell essen kenne ich auch, das ist aber auch ein bisschen Übungssache. Aber erst mal wünsche ich Dir gute Besserung.
Liebe Heike, das war ein richtig toller Artikel. Du hast mir bewusst gemacht, dass ich mir wieder mehr Zeit lassen solle, zu essen, um mehr Genuss beim Essen zu spüren. Besonders die Rubrik Essen und Stress fand ich sehr interessant. Liebe Grüße Nicole
Danke, liebe Nicole. Und ich schreibe aus eigener Erfahrung, da ich mich auch immer wieder beim „Speed-Essen“ ertappe. Oder mit meinen Gedanken ganz weit weg bin….
Liebe Heike,
vielen Dank für deinen wertvollen Artikel. Meine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hat mich zu dem Ergebnis gebracht, dass Essen eines der Programmierungen sind, die wir Menschen in uns tragen. So wurde ich beispielsweise als Baby pünktlichst alle zwei Stunden zum Stillen geweckt. Also weit weg von intuitiver Ernährung. Gleichzeitig lohnt es sich sehr sich dieser Programmierung zu widmen. Ein aus meiner persönlichen Sicht und der Erfahrung heraus in der Arbeit mit meinen Klienten essentieller Baustein auf dem Weg zu sich selbst.