Als ich mich gerade nebenberuflich als Ernährungsberaterin selbstständig gemacht hatte, bekam ich eines Tages den Anruf eines „besorgten“ Ehemannes. Er wollte einen Termin für seine Frau ausmachen. Nach seiner Schilderung war sie in den Wechseljahren, hochgradig übergewichtig (er sagte wörtlich „unappetitlich fett“) und müsse nun sehr schnell sehr viel abnehmen.
Bei mir schrillten alle Alarmglocken und ich hatte vermutlich Fragezeichen in den Augen. Aber ich schaue beim Telefonieren ja nicht in den Spiegel.
Ich bat den Gatten dann auch um etwas mehr Information, wie Alter der Frau, Größe, Gewicht, wie viel soll sie denn, seiner Meinung nach, abnehmen. Und warum um Gottes willen in kurzer Zeit?
„Ich bin Unternehmer, sehr wohlhabend und habe in 4 Wochen ein großes geschäftliches Event, mit wichtigen Kunden. Dann MUSS sie vorzeigbar und attraktiv sein. Und die Hitzewallungen müssen aufhören. So wie sie jetzt aussieht, nehme ich sie jedenfalls nicht mit. Und den Rest kann sie Ihnen ja selbst erzählen.“
Warum muss sie abnehmen?
Mir lagen da so viele Einwände auf der Zunge, so wie: „Wenn Sie so wohlhabend sind, warum kaufen Sie ihr nicht ein richtig tolles, gut sitzendes Kleid?“ oder „Warum betonen Sie, dass Sie wohlhabend sind? Meine Preise sind nicht im niedrigen Bereich, aber für Sie sind das vermutlich Peanuts“ oder „Hat Ihre Frau denn in kurzer Zeit so viel zugenommen oder warum wollte sie nicht schon früher abnehmen?“ oder „Warum soll ich die Hitzewallungen abstellen? Ein Körper ist keine Maschine, mit Knöpfen und Hitzewallungen gehören zu den Wechseljahren dazu. Genau wie Gewichtszunahme, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen.“
Normalerweise hätte ich mich darauf nie eingelassen, aber ich war neugierig. Und der Ehemann war ja wirklich ein Herzchen. Die Frau tat mir leid, obwohl ich sie überhaupt nicht kannte. Aber vielleicht konnte ich ihr ja helfen.
Wechseljahre und Gewicht? Nicht das Kernproblem
Als sie sich dann einige Tage später in meinem Büro meldete, war ich doch etwas überrascht. In meinem Kopf hatte sich ein Bild geformt, dem diese Frau gar nicht entsprach. Sie war recht groß (etwa 1,85 m) und kräftig. Wie ich später erfuhr, war sie damals 48 Jahre alt. Hätte ich sie auf der Straße gesehen, hätte ich sie vielleicht für eine ehemalige Sportlerin gehalten. Immer noch athletisch, vielleicht ein paar Pfündchen zu viel. Aber keinesfalls dick, schon gar nicht „unappetitlich fett“.
Außerdem war sie attraktiv, sehr gepflegt, hatte eine schöne glatte Haut, sehr dezentes Make-up und super gepflegte Nägel. Allerdings fand ich persönlich ihren Kleidungsstil nicht besonders ansprechend: dunkle Farben, weiter Schnitt, gewollt unauffällig. So, als wolle sie sagen: schau mich nicht an, lohnt sich nicht.
Im goldenen Käfig
Ich fing dann mit meiner Befragung an, um mir ein Bild zu machen und um das Eis zu brechen.
Ja, sie hatte im Laufe der Jahre etwas zugenommen, etwa 15 kg. Sie wog zu dem Zeitpunkt etwa 95 kg, was bei ihrer Größe jetzt nicht so schlimm war. Aber sie fühlte sich nicht mehr attraktiv, schon gar nicht begehrenswert, seit sie in die Wechseljahre gekommen ist und ihr Gewicht – na ja, der Gatte hatte es ja schon erzählt.
Gesundheit und Blutwerte waren alle im grünen Bereich.
Als ich nach ihrem Beruf fragte, brach sie in Tränen aus: sie hatte Jura studiert, gerade als Anwältin angefangen zu arbeiten, als sie ihren Mann kennenlernte. Die alte Geschichte: sie gab den Beruf auf, um ihrem Mann „den Rücken freizuhalten“.
Dann kam schnell ein Sohn und 2 Jahre später eine Tochter.
Die Kinder waren zum Zeitpunkt unseres Erstgespräches 25 und 23 Jahre alt. Der Sohn war bereits 7 Jahren zuvor ausgezogen, die Tochter lebte noch zu Hause. Sie war zwar als Studentin eingeschrieben, sah ihren Job aber als Papas Prinzessin.
Zurück in ihre Vergangenheit: als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, wollte sie wieder arbeiten. Das hat der „Traumprinz“ ihr aber strengstens untersagt. Er bestand darauf, dass sie weiterhin unterstützte, schlank und attraktiv war und ansonsten ihren Mund hielt. Sein Unternehmen lief gut und die Familie war sehr wohlhabend, also alles gut im Paradies?
Keineswegs, ihr Mann hatte immer wieder Affären mit jüngeren Frauen, attraktive Models, mit denen er angeben konnte. Die letzte Gespielin hatte ihn Knall auf Fall verlassen (kluges Mädchen) und jetzt sollte seine Frau in die Rolle schlüpfen.
Ich war fassungslos, aber es stand mir nicht zu, zu urteilen. Ich fragte Anna (nicht ihr echter Name), wie sie sich fühle und ob sie denn zu dem Event wolle. Sie sagte ganz klar nein, das sei nicht ihre Welt. Ihr Mann hatte ein teures Kleid in Größe 38 gekauft, das sollte sie tragen.
Mehr als nur Gewicht
Bei unserem 2. Termin brachte sie das Kleid mit und wir mussten beide lachen: selbst wenn sie ihr altes Gewicht noch hätte, das Kleid war für eine viel kleinere Frau geschneidert. Damit war das Thema abgehakt.
Wir haben uns dann geeinigt, dass ich mit ihr arbeite, um sie wieder körperlich und möglichst auch psychisch fit zu machen.
Sie mochte Bewegung und sie liebte gutes, gesundes Essen, das sie aber nie auf den Tisch brachte. Mann und Tochter mochten es nicht.
Neben ihrem Gewicht machten ihr die Wechseljahre insgesamt zu schaffen. Sie fühlte sich unsichtbar. Nicht mehr attraktiv. Daher bat sie mich auch um Rat, was Frisur und Kleidung betrafen.
Das sind zwar nicht meine Fachgebiete, aber sie traute mir wohl. Also, habe ich ihr einige Vorschläge unterbreitet, Haarschnitte, die ich mir vorstellen konnte und habe sie auch zum Friseur, zu einer Beratung, begleitet.
Meine Kosmetikerin konnte ihr beim Make-up helfen. Da kann eine Fachfrau wirklich Wunder vollbringen, aber Anna hatte mit ihrer Schneewittchenhaut, blauen Augen und vollen Lippen die allerbesten Voraussetzungen. Sie hat nur selbst nie gesehen, wie attraktiv sie eigentlich war.
Bei einem Einkaufsbummel habe ich mich nach Geschäften umgesehen, wo sie bestimmt was finden würde, was farblich zu ihr passt, aber auch zu ihrem Leben und ihren Aktivitäten.
Der Frosch zeigt sein wahres Gesicht
In der darauffolgenden Woche hatte ich dann noch eine unangenehme Begegnung mit Herrn K: er tauchte bei mir auf und beschimpfte mich als unfähig.
Ich versuchte ihm sachlich zu erklären, dass es wirklich nicht möglich ist, in so kurzer Zeit so viel Gewicht zu verlieren und 30 kg abnehmen in 3 Wochen – geht physiologisch gar nicht. Stattdessen war es mein Ziel, dass seine Frau sich wieder schön und begehrenswert fühlte. Auch wenn die Wechseljahre eine Herausforderung sein können. Das interessiert ihn absolut nicht. Er war sehr verärgert, dass sich ihm jemand widersetzte, noch dazu eine Frau. Er ließ dann noch einige heftige Beleidigungen vom Stapel, aber je aufgebrachter er wurde, desto ruhiger wurde ich. Mein Bedürfnis, ihn auch zu beleidigen, löste sich in Wohlgefallen auf. Es wäre mir leicht gefallen und ich hatte so eine Ahnung, wie man ihn treffen konnte: der Kerl war recht mickrig, farblos, wenig Haare und weder attraktiv noch charmant.
Was fand Anna, bloß an ihm? Aus diesem Frosch würde nie ein Prinz …
Die Transformation oder Abnehmen – aber richtig
Nun ja, Anna hatte insgesamt 10 Sitzungen bei mir und danach wollte sie allein weiterarbeiten. Zur 10. Sitzung überraschte sie mich: neuer Haarschnitt und ein neues Outfit. Sie war meinem Rat gefolgt und hat selbst entschieden, welche Frisur und welche Kleidung sie tragen will.
Nicht nur das, sie war auch beim Anwalt gewesen. Da sie nicht ganz unvermögend in die Ehe gekommen war, war eine Scheidung keine Katastrophe, was Finanzen und Lebensunterhalt anging. Sie konnte zwar ihren damaligen Lebensstandard nicht halten, aber dem Luxus-Leben konnte sie nie etwas abgewinnen. Die Scheidung ging dann recht schnell über die Bühne und damit verschwanden 85 kg Ehemann für immer.
Eigentlich auch noch rund 60 kg Tochter. Die wollte ihre Geldquelle nicht versiegen lassen und hatte zunächst jeden Kontakt zur Mutter abgebrochen. Da war ich schon etwas besorgt, da ich befürchtete, das würde sehr an ihr nagen.
Aber sie gestand mir dann, dass sie sich ihrem Sohn immer mehr verbunden gefühlt hatte. Nur, das darf man ja als Mutter nicht. Als Mutter muss man alle Kinder gleich stark lieben und das Wohl der Kinder sollte immer an erster Stelle stehen. So Annas Glaubenssätze, die sie jetzt nicht mehr unterschreiben wollte.
„Ich habe meinen Kindern viele Jahre alles gegeben, um sie aufs Leben vorzubereiten. Jetzt bin ich erst mal dran“.
Und die Tochter sah ihre Mutter eher in der Rolle eines Hausmädchens.
Nachdem also klare Verhältnisse geschaffen waren, fühlte Anna sich so erleichtert, dass alles andere von selbst passierte: sie verlor langsam etwas mehr als 10 kg, war immer noch kräftig, aber stark und fit.
Die Moral von der Geschichte:
- Lasse Dir nie von anderen Menschen erzählen, dass Du abnehmen musst. Schon gar nicht, wie viel.
- Versuche nie auszusehen, wie eine andere Person. Du bist einmalig und Du bist schön. Arbeite mit der Natur und Deinen Genen, niemals dagegen.
- Trenne Dich von Ballast in Deinem Leben, seien es ungeliebte Jobs, unmögliche Ehemänner oder Freunde, die Dich runterziehen.
- Und vertraue Dich Menschen an, denen Du wirklich vertraust.
Wenn Du auch einen ähnlichen Weg gehen möchtest, lade ich Dich zu einem kostenlosen Erstgespräch ein. Es werden in regelmäßigen Abständen Termine für mein 1-Jahres VIP Programm frei und wir können gemeinsam entscheiden, ob das Dir weiterhelfen könnte.
Nachtrag Ostern 2021:
Irgendwann wird es eine Fortsetzung von Annas Geschichte geben. Sie hat sich nämlich bei mir gemeldet. Ihr geht es richtig gut, aber sie hat mir auch gestanden, welche Ängste sie während und nach der Scheidung durchgestanden hat. Und ihr Gewicht hat sie konstant gehalten….
Wow, liebe Heike, was ein toller Beitrag. Und eine berührende Geschichte. Anna, falls du das liest: ich freu mich so mit dir und für dich, dass du deinen Weg gegangen bist ❣️